Turmuhr
Das tägliche Läuten der Kirchenglocken gehört in vielen Ortschaften ganz selbstverständlich zum Tagesablauf. Manchmal nimmt man es schon gar nicht mehr bewusst wahr, weil es den normalen Alltag prägt. Dieses dreimal tägliche Geläut - morgens, mittags und abends - wird „Angelusläuten“ auch „Gebetläuten“ oder „Ave-Läuten“ genannt. Das Läuten der Kirchenglocken zum Gebet zu bestimmten Tageszeiten gewann im Hochmittelalter zunehmend an Bedeutung. Die Ursprünge liegen in der Gebetspraxis der Klöster. Ungefähr seit dem 14. Jahrhundert war ein zweimaliges Gebetläuten in unserem Kulturkreis weit verbreitet. Papst Pius V. führte 1571 Jahr das dreimalige tägliche Angelus-Gebet in seiner heute noch gebräuchlichen Form ein. Während sich ursprünglich das morgendliche Läuten am Zeitpunkt des Sonnenaufgangs orientierte, wird heute zu einer festen Zeit während des ganzen Jahres geläutet. In Suttrop ist dies um 6:00 Uhr, das zweite Angelusläuten findet mittags um 12 Uhr statt, das dritte, abendliche Läuten um 18:00 Uhr soll den Sonnenuntergang anzeigen.
An das abendliche Angelusläuten schließt sich zum Gedenken an die Verstorbenen meist noch eine kleinere Glocke an. In Dietfurt erklingt zum Angelusläuten passenderweise unsere zweitgrößte Glocke, die Marienglocke. Abends läutet dann die kleine Sebastiansglocke nach.
Es trennte zum einen ganz praktisch den Tag von der Nacht, zum anderen wurde durch dieses Zeichen und die damit verbundene Aufforderung zum Gebet der gesamte Tagesablauf unter den Schutz Gottes gestellt.
Tatsächlich findet sich schon im Judentum der Brauch, dass man den Gottesdienst in alttestamentlicher Zeit mit Glöckchen untermalt hat. So heißt es schon im Psalm 150: „Lobt ihn mit tönenden Zimbeln, lobt ihn mit schallenden Zimbeln!“ Aus diesem Lobpreis auf Gott lässt sich eine damals gängige Gottesdienstpraxis ableiten. Und sogar am Gewand des Hohepriesters fanden sich kleine Glöckchen befestigt, die erklangen, wenn der Priester den Dienst am Tempel vollzog.
Christentum hat Tradition von den Juden übernommen
Im Christentum wurde diese Praxis übernommen. Wenn im christlichen Gottesdienst die Psalmen gesungen wurden, ließ man dazu Glöckchen erschallen. Schon bei Hippolyt von Rom im 2. Jahrhundert heißt es, dass mit einem Glockenzeichen der Beginn eines Psalmgesangs angekündigt wird. In der Zeit der frühen Kirche wurde die Symbolik der Glocke von verschiedenen Kirchenvätern erörtert.
Schon der Mönchsvater Antonius trug eine Glocke bei sich, um mit ihrem Klang die Dämonen zu vertreiben. Und im aufkommenden Mönchtum übernahm man das Läuten der Glocke, um damit bestimmte Ereignisse im Tagesablauf anzukündigen. Mit den keltischen Missionaren, die ab dem 5. Jahrhundert den christlichen Glauben bei uns in Europa verkündeten, wurde die Glocke auch bei uns zum gängigen Instrument im Gottesdienst.
Eine sehr alte Glocke, die noch aus der Frühzeit des Glockengusses stammt, läutet im Bamberger Dom: Es ist die Kunigundenglocke, die wohl zwischen 1185 und 1235 gegossen wurde. Bevor das Läutwerk elektrifiziert wurde, waren sechs Personen notwendig, um diese Glocke zu läuten. Etwas jünger ist übrigens die zweitgrößte Glocke des Domes: Die Heinrichsglocke wurde am 13. August 1311 gegossen.
Dreimal am Tag erklingt das „Gebetläuten“
In vielen katholischen Orten am Obermain läuten die Glocken mindestens dreimal am Tag: Früh, mittags und abends. Es ist das sogenannte „Gebetläuten“. Damit wird an die Praxis erinnert, dreimal am Tag den „Angelus“, also den „Engel des Herrn“ zu beten. Mit diesem kleinen Gebet wird an die Verkündigung Mariens und die Menschwerdung Gottes erinnert. Diese Tradition setzte sich schon ab dem 15. Jahrhundert durch und ist somit sehr alt.
Die Zeiten, zu denen zum „Engel des Herrn“ geläutet wird, sind von Ort zu Ort unterschiedlich. Meistens wird früh um sechs oder sieben Uhr geläutet und abends um sechs, sieben oder acht Uhr. Allein das Mittagsläuten ist überall um zwölf Uhr gleich. In früheren Zeiten war das Abendläuten auch das Signal, nach Hause zu kommen.
Man muss bedenken, dass die Leute früher noch keine Armbanduhren besaßen und der Uhrschlag der Kirchenturmuhr meist der einzige Zeitmesser war. Deswegen kann der Zeitpunkt des Abendläutens auch von Jahreszeit zu Jahreszeit variieren; im Winter wird es früher dunkel als im Sommer. In Mistelfeld zum Beispiel läuten die Glocken von November bis Dezember um sechs Uhr, im März und Oktober um sieben Uhr und von April bis September um acht Uhr.
Am bekanntesten ist das Zwölf-Uhr-Läuten
Am bekanntesten ist natürlich das Zwölf-Uhr-Läuten, das am Sonntagmittag sogar im Radio auf Bayern1 aus unterschiedlichen Orten Bayerns übertragen wird. Schon die Glocken der Redwitzer St. Michaelskirche oder der Kirche St. Martin in Döringstadt waren hier zu hören.
Das Abendläuten dauert meist auch länger: Nach dem regulären „Gebetläuten“ wird noch einmal die kleinste Glocke geläutet. Das sogenannte „Nachläuten“ ist der Aufruf zum Gebet für die Verstorbenen, mit dem man allabendlich jener Menschen gedenken soll, die bereits verschieden sind.
In manchen Orten im Lichtenfelser Land wird auch um 11 Uhr bereits geläutet. Oft hat sich hierfür die Erklärung eingebürgert, es sei ein Zeichen zum Mittagessen. In vielen Dörfern hat man ja in früheren Zeiten bereits um Elf gegessen. Andernorts heißt es, es hat um elf Uhr geläutet, damit die Bauern rechtzeitig um Zwölf daheim sein konnten. Häufig waren sie draußen auf den Feldern und Äckern und mussten erst ins Dorf zurücklaufen.
Im Jahr 1938 wurden drei neue Glocken für die Pfarrkirche St. Andreas in Mistelfeld angeschafft. Es handelt sich um Stah... Foto: Fabian Brand
Aber ursprünglich hat auch das „Efla-Läuten“ einen christlichen Hintergrund: Als das türkische Heer in der Mitte des 15. Jahrhunderts das christliche Abendland bedrohte, rief Papst Calixtus III. dazu auf, mittags die Kirchenglocken zu läuten. Die Gläubigen sollten beten, dass die Ungarn die Osmanen besiegen. Nachdem das osmanische Heer auch weiterhin Europa bedrohte, behielt man diese Tradition des Mittagsläutens bei.
Wieso am Freitag um 15 Uhr geläutet wird
In manchen Orten wird am Freitag um 15 Uhr geläutet; die Glocken erinnern an die Todesstunde Jesu, der gemäß der Evangelien am Karfreitag um drei Uhr gestorben ist. Traditionell läuten die Glocken auch am Samstag um 14 Uhr: Das Einläuten des Sonntags ist der Hinweis, dass jetzt der Ruhetag beginnt und alle Arbeit bis dahin erledigt sein muss. Vielerorts werden auch die Feiertage mit einem Einläuten am Vortag begrüßt.
Heute, wo wir für wenig Geld eine Uhr kaufen können, haben wir vergessen, wie der mittelalterliche Mensch sich den Kopf zerbrach, um die richtige Zeit zu wissen. Alle Erfindungskraft wurde aufgewendet, bis Mitte des vierzehnten Jahrhunderts die ersten Uhrwerke als zentrale und maßgebliche Zeitanzeiger auf den Türmen erschienen. Sie waren typisch die Arbeit eines Schmiedes. Alle Turmuhrwerke wurden nämlich aus Eisen geschmiedet.
Aber später, im neunzehnten Jahrhundert bekamen sie prächtig geschnittene Messingzahnräder. Zahlreiche dieser alten Turmuhrwerke sind inzwischen ausrangiert und auf den Schrotthaufen geworfen worden, weil ein modernes Uhrwerk viel präziser ist. Ein trauriges Ende dessen, was einst mit Liebe und Sorgfalt gemacht wurde. Zum Glück können wir in Museen und bei Sammlern eine Weile bei einem solchen alten Uhrwerk stillstehen und zusehen, wie die Räder die Zeit messen.
pfeil_o.gif (59 Byte)
Seit eh und je ist der Mensch nicht nur auf der Suche nach einer besseren Zeit, sondern auch nach besseren Zeitmessern für "korrekte" Zeitangaben. In der hochmittelalterlichen Phase des christlichen Abendlandes (13. Jahrhundert) gelingt es infolge der Erfindung und schnellen Ausbreitung der handgeschmiedeten Räderuhr mehr und mehr, die bis dato höchst uneinheitlichen, sowohl lokal, regional als auch territorial unterschiedlichen Zeiteinteilungen und Zeitmessungen zu einer "synchronisierbaren Zeit" zu harmonisieren. Diese Räder-Uhrwerke, vom Mittelalter bis in unsere Tage hinein in den hohen und repräsentativen Türmen der Kirchen, Rathäuser und Schlösser installiert, verkündeten zunächst durch Glockenschläge und bald auch über mächtige Zifferblätter an Außenwänden dieser "öffentlichen" Gebäude eine "amtliche", für die jeweilige Region allgemein verbindliche "Uhrzeit".
Die ersten Räderuhren mit Gewichtsantrieb (ab ca. 1300) gaben keine optischen, sondern nur akustische Zeitangaben durch Glockenanschlag. Im Mittelalter war es meistens so, daß z. B. in einem Dorf keiner eine Uhr besaß, sondern alle Leute sich nur an der Kirchturmuhr orientieren konnten. Etwas später, bei Verwendung der Zifferblätter, begnügte man sich zunächst mit nur einem Zeiger, der die Stunden zählte.
pfeil_o.gif (59 Byte)
Damit wurden die seit Urzeiten gebräuchlichen überaus wetterabhängigen Sonnenuhren sowie die für Langzeitmessungen gänzlich ungeeigneten Wasser- und Sanduhren von einer neuartigen "Zeitmaschine" mit Stunden-Zählung, einem Meisterwerk der Mechanik, verdrängt. Ihr Geheimnis war das Räderwerk, bei dem größere Zahnräder kleinere (die Triebe) in Drehung versetzten. Uhrwerke mit zusätzlicher Minuten- und Sekundenanzeige, also mit exakterer Laufgenauigkeit als die Stunden-Räderuhren, wurden erst mit der Erfindung des Pendels durch den holländischen Mathematiker und Physiker Christiaan Huygens (1656/57) möglich; mit seiner Erfindung begann das eigentliche "Sekundenzeitalter".
Wen wundert's, daß der Benediktiner Gerbert d'Aurillac die erste, freilich noch sehr primitive Räderuhr erfunden haben soll. turmuhr2.jpg (4824 Byte)Und damit hätte dieser spätere Bischof von Reims, Lehrer von Kaiser Otto III und schließlich Papst Silvester II., eine neue Epoche eingeläutet: Die Zeit der mechanischen Zeitmessung. Eingeläutet darf man hier sogar wörtlich verstehen, denn schon zuvor hatten die Benediktiner den Beginn ihrer jeweiligen Horen ja mit Glockensignalen markiert - und das taten sie auch weiterhin, nur jetzt noch pünktlicher.
pfeil_o.gif (59 Byte)
"Die erste automatische Maschine der Geschichte lief mit einem Mechanismus namens "Hemmung", der regelmäßig die Kraft eines fallenden Gewichts unterbrach." So informiert uns der amerikanische Schriftsteller Daniel J. Boorstin. Und sein Landsmann, der Wirtschaftswissenschaftler Jeremy Rifkin, sagt: "Zuerst wurde diese Erfindung ausschließlich von den Benediktinern benutzt, um größere Konformität mit dem Zeitplan der Pflichten zu sichern. Die Uhr ermöglichte es dem Klerus, die Länge von Stunden zu standardisieren."
Es dauerte freilich nicht lange, bis die Räderuhr auch von Laien als Ordnungselement erkannt und übernommen wurde. Und da für die meisten Stadtbewohner eine solche Anschaffung zu jener Zeit noch unerschwinglich war, kam alsbald ein findiger Kopf auf die Idee, eine große Uhr für alle anzuschaffen. 1344 zeigt die erste Turmuhr der Welt in Padua die - einigermaßen - genaue Zeit an; ihr Konstrukteur war der Arzt, Astronom und Astrologe Giovanni di Dondi.
pfeil_o.gif (59 Byte)
Sowas Fortschrittliches wollte man alsbald auch anderswo haben. Schon knapp eineinhalb Jahrzehnte später folgte die Premiere nördlich der Alpen. Deutschlands erste Schlaguhr wurde 1358 am Rathaus in Regensburg angebracht. Hierzulande scheint man auf diese neue Errungenschaft der Zeitmessung von Anfang an weit williger abgefahren zu sein als in Italien, wo Goethe sich 1786 die Zeit für diesen Tagebuch-Eintrag nahm: "Der Mensch, der hier lebendig lebt, kann nicht irre werden, weil jeder Genuß seines Daseins sich nicht auf die Stunde, sondern auf die Tageszeit bezieht. Zwänge man dem Volk einen deutschen Zeiger auf, so würde man es verwirrt machen, denn der seinige ist innigst mit der Natur verwebt."
Große und kleine Fürsten, Bischöfe und Bürgermeister: Alle wollten sie damals bei der Zeit tonangebend sein, und manchmal wurde heftig darum gestritten, welche dieser Obrigkeiten maßgebend sei, und welche nicht. In Paris verfügte der König, daß alle öffentlichen Uhren der Stadt nur nach der seinigen zu stellen waren. In Venedig verbot der Doge, an der Markuskirche eine Uhr anzubringen - er selber baute daneben seinen Uhrturm. Und in Deutschland und anderswo mieteten manche Städte Kirchtürme, um dort neben den klerikalen Geläute kommunale Signale ertönen zu lassen - beispielsweise die Feuerglocke, die Marktglocke oder die Bierglocke für die Kneipen-Sperrstunde. In dieser Zeit entstanden deshalb auch Redensarten wie: "Die Ratsherren versammelten sich Glock elfe." oder "Und jedermann wußte nun ... "...wieviel es geschlagen hat."
pfeil_o.gif (59 Byte)
kirchuhr.jpg (21323 Byte)
Diese Redewendung findet sich schon in Thomas Murners 1512 erschienener "Narrenbeschwörung", wo es über einen ahnungslosen Bürgermeister heißt: "Er sol versehen eine Statt/ und weiß nicht, was geschlagen hatt."
Exakt auf die Minute wußte das allerdings überhaupt niemand. Die frühen Turmuhren hatten im präzisesten Fall Abweichungen bis zu einer Viertelstunde, aber auch Fehlweisungen bis zu einer ganzen Stunde waren nicht selten. Schon deshalb begnügte man sich lange damit, nur den Stundenzeiger kreisen zu lassen.
Der Minutenzeiger kam erst Mitte des 17. Jahrhunderts hinzu, die Sekunde Anfang des 18. Jahrhunderts. Da lag die Erfindung der Taschenuhren durch den Nürnberger Peter Henlein schon runde 200 Jahre zurück.
Heute sind mechanische Turmuhren nur noch selten in Betrieb, die moderne Technik mit quarzgesteuerten Werken und auch die aufwendige, schwierige Pflege der Uhren haben dazu ihren Beitrag geleistet.
Umso mehr engagieren sich die Sammler und Freunde von Turmuhren um diese spezielle, höchst interessante Gattung der Uhren vor dem Verfall zu retten und der Nachwelt zu erhalten.
Dies hat allerdings einen speziellen Preis:
Der Turmuhren-Liebhaber braucht viel Platz für die Aufstellung der meist voluminösen Uhren bzw. Werke.
Turmuhren gewannen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an Bedeutung. Die Errungenschaften der TEchnik erforderten Pünktlichkeit; man denke an die Schichtarbeit in der Hütte, den Tagesablauf im WLK, den zunehmenden Schienenverkehr
Stiftung 1934 von Caspar Gerstenköper, langjähriger Ortsvorsteher in Suttrop (*1)
Hersteller Uhrenbau Bernardus Vortmann (1832-1910) in Recklinghausen
Die Uhr hat ein frei schwingendes Pendel, das nach 60 Sekunden die Minute weiterstellt und schlägt nach jeder 1/4 Stunde.
Der schwere Gußrahmen der Uhr steht im Turm ca. in der Mitte der Gesamthöhe. Alle Seile zu den Gewichten sowie zu den Glocken werden nach oben geführt.
Spätere Elektrifizierung der Turmuhr